Montag, 30. Januar 2017

Lady Liberty

Hugo Loetscher schreibt in seinem Buch „Der Waschküchenschlüssel – oder was, wenn Gott Schweizer wäre“ (1983, Diogenes Verlag) in der letzten Glosse über den Besuch bei der Freiheitsstatue im Hafen von New York. Sehr pointiert, absolut lesenswert! Ich hoffe, das Buch ist noch irgendwo erhältlich…

Hugo Loetscher macht sich da so seine Gedanken über die Statue, die er einfach nur „die Freiheit“ nennt. So zum Beispiel den Gedanken, dass die Freiheit innen hohl ist. Sie ist allerdings nicht leer, denn man findet da einen hohen Aufbau mit Verstrebungen, die der Sicherheit dienen und für Wartungsarbeiten genutzt werden können. Und natürlich ist da auch die Wendeltreppe, über die man ganz hoch in die Freiheit steigen kann.

Man fährt zu der Freiheit vom Battery Park aus. Nur die Hinfahrt kostet, zurück kommen alle, denn es gibt keine Bleibe auf der Insel der Freiheit.

Am schönsten und aktuellsten finde ich allerdings die Betrachtung, dass die Freiheit eine Fackel trägt. Hugo Loetscher schrieb vor über 30 Jahren, dass es eigentlich nicht auszumachen sei, ob sie anderen den Weg weisen will oder selber einen Weg sucht und nur deswegen noch da steht, weil sie bislang noch keinen gefunden habe…


Der Sockel, auf dem Lady Liberty steht, ist so knapp bemessen, dass sie darauf nur stehen kann. Allerdings weiss man von ihrer Fussstellung her nicht so recht, ob sie wirklich steht oder eigentlich schreiten möchte. Und vielleicht würde sie sich ja gerne auf den Weg machen…

Montag, 23. Januar 2017

Alternative Fakten - eine kurze Betrachtung

Das Wort „Euphemismus“ bedeutet etwas beschönigen oder schönreden. Es stellt also einen negativen oder tabuisierten Sachverhalt verschleiernd oder auch gewollt missverständlich dar.

Euphemismen begegnen uns seit jeher in Texten aller Art. Schon in der Bibel finden wir sie, beispielsweise in der Weihnachtsgeschichte: „Josef nahm seine Frau zu sich, und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn geboren hatte, und er nannte seinen Namen Jesus.(Matthäus 1, 24+25) 

Armer Josef, könnte man denken. Er muss geistig verwirrt gewesen sein. Demenz?! Er erkannte seine Frau nicht mehr. Zum Glück scheint sich sein Zustand verbessert zu haben nach der Niederkunft (auch so ein schönes Wort) seiner Frau. Postnatale Wiederherstellung des Gedächtnisses beim Mann.

Aber natürlich wissen wir, dass das Wort „erkennen“ in diesem Text eben nichts mit dem zu tun hat, was es gemeinhin bedeutet. Hier ist das Wort euphemistisch gebraucht, um nicht schreiben zu müssen, er hatte keinen Sex mit seiner Frau.

Wenn wir von einem Fussballspieler lesen, er habe ein rustikales Zweikampfverhalten, so wissen wir, dass er halt auch mal zu einem Foul greift, um den Gegner vom Ball zu trennen.

Spricht der Arzt von Stuhlgang, weiss wohl jeder, was gemeint ist. Ist doch auch netter, als wenn einen so ein Weisskittel fragt, ob man heute schon gesch… habe. Oder er uns mit dem Kindereuphemismus „a-a“ kommt.

Manchmal haben sich Euphemismen so ausgebreitet, dass sie niemandem mehr auffallen. Dass es wohl in jeder Regierung einen Verteidigungsminister gibt, versteht sich von selbst. Dass das gleiche Amt in nicht so ferner Vergangenheit Kriegsminister hiess, haben wir meist schon vergessen.

Damit verbunden wurde der Kriegsfall zum Verteidigungsfall, eine Offensive wird auch gerne Militärschlag genannt. Dass sich hinter einer ethnischen Säuberung ein Völkermord verbergen könnte, wird ganz schnell ausgeblendet. Und auch Kernwaffen klingen doch etwas harmloser als Atombomben. Und weil auch das Wort Kernwaffen schon zu viel von seinem verhüllenden Charakter verloren hat, taucht immer häufiger der neue Euphemismus auf: „Modernste Waffen“.

Apropos Krieg: Als Oliver Stone 1986 den Film „Platoon“ ins Kino brachte, hat er den Film als „Antikriegsfilm“ bezeichnet. Der Begriff traf den Nerv der Zeit, von einem Tag auf den anderen wurde die Genrebezeichnung „Antikriegsfilm“ in vielen Programmzeitschriften eingeführt, ganz gleich, ob „Rambo“, „Apocalypse now“ oder „Der längste Tag“ gezeigt wurde.

Dass einen der Chef von der Arbeit freisetzt sollte kein Anlass zum Jubel sein, denn dahinter verbirgt sich eine Entlassung. Vielleicht wird diese Entlassung mit einem Minuswachstum begründet. Man könnte es natürlich auch einfach Rezession nennen.

Natürlich werden auch Eigenschaften von Menschen in beschönigende Worte gepackt. Hat einer eine Rubensfigur, so ist er dick, gilt jemand als bildungsfern, hält man ihn für dumm. Und weil man halt manchmal nicht von Armen sprechen will, bezeichnet man die entsprechende Gruppe einfach als wirtschaftlich schwach.

Ein Euphemismus wird manchmal über Nacht geboren. So beglückte die PR-Beraterin von DJ Trump,  Kellyanne Conway, uns am Wochenende mit einer besonderen Wortschöpfung: „alternative Fakten“. 

Endlich sind Fakten nicht mehr an Wahrheiten gebunden! 

Früher musste man für die gleiche Aussage das unschöne und deshalb zu vermeidende Wort „Lügen“ gebrauchen.

Da ich mit einer Geschichte aus der Bibel begonnen habe liegt die Versuchung nahe, mal zu schauen, was aus ein paar ausgewählten Versen passieren könnte, wenn der neu entstandene Euphemismus in einigen Jahren in eine revidierte Bibelübersetzung Einzug hält:

Psalm 4;3: Wie lange werdet ihr Eitles lieben und alternative Fakten suchen?
Eph. 4;25: Deshalb legt die alternativen Fakten ab und redet Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten.


Sonntag, 22. Januar 2017

2 Tage danach, Gedanken zum 45.


Und das wollen Demokraten sein?“ habe ich als Titel eines Facebook Posts gelesen, in dem es darum ging, dass mehrere Dutzend Abgeordnete der demokratischen Partei planten, der Inauguration des 45. Präsidenten der USA fernzubleiben.

Schlechte Wahlverlierer!“ war ein Kommentar, den ich gelesen habe auf die Massenproteste in Washington gegen Trump, und der Donald selber twitterte die Frage: „Why didn’t these people vote?

Nun, Mr. President, diese Leute haben ja vielleicht tatsächlich gewählt. Schliesslich erhielt Hillary Clinton nach dem offiziellen Endergebnis der Wahl vom 9. November 2016 genau 2’865’075 Stimmen mehr als Sie.

Aber nein, ich will hier nicht das amerikanische Wahlmännersystem diskutieren.

Die Frage, die mich viel mehr beschäftigt, ist diese: Warum sollte es ein Problem in einer Demokratie sein, wenn gegen eine gewählte Person demonstriert wird? Warum sollte ein gewählter Abgeordneter nicht auch das Recht haben, meinetwegen aus Protest einer Amtseinführung eines anderen gewählten Mannes fernzubleiben? Zumal es hier um den Protest gegen einen Mann geht, der bislang so ziemlich jede Regel des gesellschaftlichen Anstandes oder der politischen Gepflogenheiten provokant in Frage gestellt hat.

Dass es dem Narziss Trump Pein bereitete, im Frühstücksfernsehen am Tag nach seiner Vereidigung Bilder zu sehen, in der die National Mall relativ spärlich besucht war, obwohl er von den Stufen des 
Capitols aus selber sah, dass da etwa 1 Million oder eineinhalb standen, ist verständlich, aber auch erschreckend, weil es zeigt, wie verzerrt die Wahrnehmung des neuen mächtigsten Mannes ist. Dass ihm der Vergleich mit den Menschenmassen bei der Amtseinführung Obamas vor 8 Jahren nicht gefällt, versteht sich von selbst. Und der Massenprotest am Samstag, der weit mehr Menschen gegen seine Person auf die Strasse brachte als bei der Inauguration zu seiner Unterstützung, muss ihn tief getroffen haben.

Manchmal ertappe ich mich in „was wäre wenn“- Gedankenspielen. Klar, müssig sich damit zu befassen, aber nehmen wir mal an, Clinton hätte in Florida 113’000 und in Michigan 11’000 Stimmen  mehr geholt und damit die entsprechenden Wahlmänner erhalten und die Wahl gewonnen. Wie wäre es dann weiter gegangen? Hätte Trump Frau Clinton am Morgen danach angerufen und zum Sieg gratuliert, wie sie es getan hat? Oder hätte er, was er ja im Wahlkampf ganz schelmisch offen liess, das Wahlergebnis angefochten, alle Hebel in Bewegung gesetzt und seine Anhänger mobilisiert? Man weiss es nicht.

Dass Trump an der Umsetzung seiner Wahlversprechen scheitern wird, scheint mir weiterhin sicher zu sein. Clinton wollte er einkerkern – davon ist wohl keine Rede mehr. Und dann wollte er den Sumpf in Washington austrocknen. Danach sieht es bei einem Blick auf sein Personal bei weitem nicht aus. Noch nie in der an wirtschaftlichen Verflechtungen nicht armen Geschichte der US Politik gab es wohl so offensichtliche Vetternwirtschaft wie beim gerade angetretenen Führungsstab der neuen Administration.

Obamacare zurücknehmen? Klar, da gibt es einiges zu verbessern. Nicht zuletzt deswegen, weil die Republikaner 8 Jahre lang so gut wie alles gemacht haben, um Obama zu hindern. Man kann da also nachbessern. Doch ein flüchtiger Blick auf das Kabinett Trumps lässt erahnen, dass die Krankenversicherung wohl einfach dahingehend verändert wird, dass die Finanzindustrie mehr und einfacher dran verdienen kann.

Die Mauer nach Mexiko? Vielleicht kommt sie ja doch noch. Mittlerweile traue ich Trump ja alles zu. Aber eigentlich bin ich mir auch da sicher, dass dieses Bauwerk eine weitere Fantasterei ist. Und wenn nicht? Na, dann wird „America“ vielleicht wieder „great“ werden, aber beengt durch eine Mauer.


Mittwoch, 11. Januar 2017

Lahme Ente?

Dieses Mal ist alles anders. Wenn üblicherweise ein Präsident in den USA sein Amt übergibt, wird er in den letzten Wochen seiner Amtszeit als lahme Ente bezeichnet. Es ist, so hat man es in Erinnerung, die Zeit, in der das Amt mehr oder weniger ruht. Der alte Präsident ist noch nicht weg, der Nachfolger aber noch nicht im Weissen Haus eingezogen.

Lahme Ente wird der sich verabschiedende Präsident in dieser Zeit genannt, und man spielt damit darauf an, dass er eben nichts mehr bewegt, nur noch seine Tage absitzt, seine letzten Besucher empfängt, seine letzten Reden hält, einige umstrittene Begnadigungen ausspricht und ansonsten seine Koffer packt. Was soll der mächtigste Mann der Welt denn sonst noch machen? Alles, was er in den Jahren seiner Amtszeit nicht auf die Reihe gebracht hat, wird jetzt in den letzten Tagen doch eh nichts mehr.

So war es jedenfalls bisher.

Man kann Barack Obama vieles nachsagen, aber sicherlich nicht, dass er bei seinem Abschied das Klischee des scheidenden "POTUS" als lahme Ente erfüllen würde. Ich kann mich nicht erinnern, in einer deutschsprachigen Medienberichterstattung der letzten zwei Monate diesen Ausdruck gehört zu haben, und falls er gefallen sein sollte, dann höchstens aus dem Munde Obamas himself in einer für ihn typischen Selbstironisierung.

Im Gegenteil, die Agenda des scheidenden Präsidenten scheint gut gefüllt zu sein. Bis zur letzten Stunde, so hat es den Anschein, will Obama die Weichen für eine Zukunft nach seiner Vision stellen. Manche werden es ihm sicherlich so auslegen, dass er seinem Nachfolger möglichst viele Brocken in den Weg legen will, ich sehe es aber freundlicher: Obama versucht, so viel wie möglich von seinem politischen Erbe ins Trockene zu bringen und die Zukunft, die er nicht mehr aus dem höchsten Amt mitgestalten kann, in eine gute Richtung vorzubereiten - und ich glaube, die Amerikaner werden es ihm dereinst danken!